M. Hausleitner: Eine Atmosphäre von Hoffnung und Zuversicht

Cover
Titel
Eine Atmosphäre von Hoffnung und Zuversicht. Hilfe für verfolgte Juden in Rumänien, Transnistrien und Nordsiebenbürgen 1941–1944


Autor(en)
Hausleitner, Mariana
Erschienen
Berlin 2020: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte
Anzahl Seiten
296 S.
Preis
€ 25,00
von
Christina Späti, Historische Wissenschaften, Studienbereich Zeitgeschichte

Im Zuge einer Europäisierung der Holocaust-Geschichte wurde in den letzten Jahren das Augenmerk zunehmend auf Staaten gerichtet, die zwar während des Zweiten Weltkriegs eine enge Allianz mit NS-Deutschland eingegangen waren, ihre antisemitische Politik aber in weiten Zügen unabhängig von einem allfälligen Druck der Nationalsozialisten umsetzten. Zu diesen Ländern gehört Rumänien, das bereits vor Ausbruch des Weltkriegs um 1937/38 eine antisemitische Regierung durchlebt hatte. Auch um 1940/41 sowie von Sommer 1941 bis Herbst 1942 kam es im Altreich sowie in den neu besetzten Gebieten Bessarabien und Transnistrien zu Enteignungen, Deportationen und Pogromen. Unter kommunistischer Herrschaft wurde diese Geschichte lange ausgeblendet; erst in den 2000er Jahren setzte eine auch von staatlicher Seite geförderte Historiografie ein. Entsprechend rar sind bis heute auch die Forschungen zu Hilfeleistungen an verfolgte Jüdinnen und Juden.
Dieser Forschungslücke widmet sich die Studie von Mariana Hausleitner, wobei sie sich in erster Linie auf bestehende Literatur stützt und diese im Hinblick auf Retter und Unterstützerinnen von Juden und Jüdinnen auswertet. Zunächst wird der politische Kontext vorgestellt, wobei die zahlenmässige Dimension des Holocaust in Rumänien sowie die Vorgeschichte und eine knappe Übersicht über die antijüdischen Massnahmen während der Kriegsjahre präsentiert werden. Anschliessend folgt Hausleitner einer chronologischen und geografischen Ordnung und setzt beim Pogrom von Jassy im Juli 1941 ein. Mit dem Kriegsverlauf kamen neue Gebiete unter rumänischen Einfluss, wobei es ein Kennzeichen der antisemitischen Politik Rumäniens war, dass es vor allem in diesen Gebieten, Bessarabien und Transnistrien, zu Gewaltanwendungen kam, während im Altreich Juden und Jüdinnen in erster Linie politische und wirtschaftliche Diskriminierungen erleiden mussten. Insgesamt fielen dem rumänischen Holocaust hunderttausende Juden und Jüdinnen zum Opfer. Vor allem 1941 war es sehr riskant, Juden und Jüdinnen zu unterstützen, weshalb es in dieser Zeit eher wenige Hilfsaktionen gab. Ab 1943 änderte die rumänische Regierung ihre Politik gegenüber den Jüdinnen und Juden, nachdem sich die deutsche Kriegsniederlage abzuzeichnen begann.
Die im Buch vorgestellten Retterinnen und Unterstützer von Juden hatten die unterschiedlichsten sozialen und gesellschaftlichen Hintergründe. Entsprechend gestalteten sich die Formen von Hilfeleistungen vielfältig, ebenso wie die Motivationen und Möglichkeiten. Wie viele andere einfache Arbeiter und Bäuerinnen versteckte und unterstützte beispielsweise die Textilarbeiterin Elisabeta Nicopoi jüdische Familien während dem Pogrom in Jassy, wofür sie mit Folter und Haft bestraft wurde. Der Reserveoffizier Ion D. Popescu weigerte sich, Juden erschiessen zu lassen und sorgte im in seiner Zuständigkeit liegenden Ghetto von Tiraspol für zivilisierte Verhältnisse. Ebenfalls seine Position zugunsten der Jüdinnen und Juden zu nutzen wusste der in Czernowitz akkreditierte deutsche Konsul Fritz Schellhorn. Er erreichte eine Sonderregelung für 20ʼ000 Juden und Jüdinnen im Czernowitzer Ghetto, die nicht nach Transnistrien deportiert wurden. Ein weiterer Diplomat, der seine Beziehungen zur rumänischen Regierung zugunsten von Jüdinnen und Juden spielen liess, war der Schweizer Botschafter in Bukarest, René de Weck. Er war es auch, der Kontakte zwischen Rumänien und dem Internationalen Roten Kreuz sowie dem amerikanischen Joint herstellte. In der Folge sandte das IKRK zwei Delegierte nach Rumänien, die die unter schwierigsten Bedingungen in Transnistrien festgehaltenen Juden mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgten. Ab 1943 und vor allem im Jahr 1944 vervielfachten sich die Bemühungen zur Rettung von Juden in Rumänien. Über das US-War Refugee Board gelang Tausenden von ihnen die Emigration.
In weiteren Kapiteln behandelt Mariana Hausleitner auch die Hilfeleistungen an Juden im ehemaligen rumänischen Gebiet Nordsiebenbürgen, um dann auf das Schicksal vieler Retterinnen und Retter nach dem Regierungsumsturz im August 1944 einzugehen. Unter kommunistischer Regierung wurden nicht nur die Tätigkeiten ausländischer und internationaler Organisationen verboten. Einige Retterinnen und Retter wurden auch aufgrund ihrer religiösen oder politischen Zugehörigkeit verfolgt. Nach 1990 kam es zu einem Kult um den früheren Marshall Ion Antonescu, der die von ihm initiierten Massenerschiessungen von Juden in den Hintergrund treten liess. Somit setzte die Erforschung des rumänischen Holocausts und seiner Gegenspieler nur zögerlich ein. Auch heute noch, so kommt Hausleitner zum Schluss, bleibe einiges zu tun.
Für diese weiteren Forschungen bildet Hausleitners Studie einen geeigneten Einstiegspunkt. Ihr Werk hat in erster Linie den Charakter eines Kompendiums, wobei das Register von grossem Nutzen ist. Ein analytischer Zugang zum Thema fehlt hingegen weitgehend. Die einzelnen Fälle von Hilfeleistungen werden aneinandergereiht, ohne Systematisierung der unterschiedlichen Formen von Unterstützung oder gar theoretisch-methodische Überlegungen. Auch werden die in der Fach- und Erinnerungsliteratur beschriebenen Hilfestellungen kaum kritisch hinterfragt, was bei der Beschreibung der Rolle des IKRK besonders auffällig ist, welche ja bereits seit längerem in der Kritik steht.

Zitierweise:
Späti, Christina: Rezension zu: Hausleitner, Mariana: Eine Atmosphäre von Hoffnung und Zuversicht. Hilfe für verfolgte Juden in Rumänien, Transnistrien und Nordsiebenbürgen 1940–1944 (Stille Helden. Widerstand gegen die Judenverfolgung in Europa 1933 bis 1945), Berlin 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 115, 2021, S. 462-463. Online: <https://doi.org/10.24894/2673-3641.00100>

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